2 Nächte schlafen wir auf der sehr, sehr betagten, altersschwachen Fähre von Triest nach Durres. Das schönste dabei ist eigentlich der Sonnenuntergang am ersten Abend. Danach setzt Dauerregen bis zur Ankunft ein. Irgendwie passt dieser Dauerregen zur Stimmung der Bordmannschaft, denn diese ist mehr als gelangweilt. Genau wie das Schiff, hat auch die Mannschaft irgendwie viel Rost in den Bewegungsgelenken angesetzt. Egal, denn neben der Rostbesatzung, gibt es ja auch die Passagiere. Diese sind zu 90 Prozent Albaner. Die restlichen 10 % bezeichne ich mal als Exoten. 2 von den Exoten verkürzen uns ordentlich die verrostete, verregnete, trostlose Rostkahnzeit. Es sind, ein ehemaliger Leipziger, also ein Landsmann und eine Holländerin. Der Leipziger lebt seit 1981 in Ungarn, hat ein Grundstück mit seiner ungarischen Frau am Balaton, arbeitet nun schon viele Jahre für eine österreichische Firma als Fernfahrer und hat somit das Vergnügen den Rostkahn monatlich zu genießen. Er behauptete wirklich, es gibt weit schlimmere Fähren im Mittelmeer. Mag sein, doch weit interessanter war für mich seine Fracht im LKW. Zigaretten kutschiert er durch ganz Europa. Neben den Sicherheitsvorkehrungen für Zigarettentransporter, kenne ich nun auch das überaus bewegte Leben vom sympathischen Landsmann.
Die Holländerin ist ein wahren Segen an Informationen zu Albanien. Sie lebt seit 1991 in Tirana. Zu albanischen Bunkerzeiten (es soll ca. 750000 Bunker gegeben haben) bereiste sie bereits das Land, kam dann aber auf die Schwarze Liste. Nach der Revolution wurde aus Schwarz sofort für sie Weiß. Sie organisierte die ersten Hilfstransporte für Albanien. Es waren noch die wilden ersten Jahre.
Wir selbst besuchten Albanien damals gleich nach der Öffnung mit unserem Camper. Die Erinnerungen sind rustikal, denn alles war noch Mangelware. Albanien war ein Land ohne Autos (es gab nur ca. 1000 staatlich erlaubte Autos), ein Land mit ständigen Stromsperren, ein Land übersät mit knietiefen Schlaglöchern auf den wenigen asphaltierten Straßen, einfach ein unvorstellbares rückständiges Land.
Die Holländerin, sowie auch die Fährbootalbaner empfehlen uns dringend nur die Küstenstrecke Richtung Griechenland abzulaufen, denn der Norden, die albanische Bergwelt, sei noch immer zu gefährlich. Wörter wie Betrüger, Überfälle, Mafia, Ehrenmorde und Blutrache sausen uns um die Ohren. Mit gemischten Gefühlen beginnt unser albanisches Abenteuer.

Die Grenzhafenabfertigung ist überaus freundlich. Da wir der Küste entlang bis Griechenland laufen wollen, suchen wir die alte Straße. Uns trifft der Hammer, denn entlang dieser stehen die ersten 10 km Hotel an Hotel, Restaurant an Restaurant, Bar an Bar, Liegestuhl an Liegestuhl, Sonnenschirm an Sonnenschirm. Italien in seinen wildesten Zeiten lässt grüßen.
Dann beginnt plötzlich die Autobahn. Wir suchen wieder die alte Straße. Es gibt sie nicht mehr. Dies bestätigt uns auch die Polizei. Und wir bekommen die Aufforderung, einfach die Autobahn zu benutzen. Wir folgen pflichtbewusst der polizeilichen Anordnung. Mehrere Tage marschieren wir über 100 km entlang der Autobahn bis Vlore. Dies ist keineswegs langweilig, denn alles was sich fortbewegen muss (Kühe, Pferde, Laster, Enten, Schildkröten, Menschen mit und ohne Auto, Fahrräder und, und …) sind somit irgendwie unsere Autobahnkollegen.
Auch entlang der Autobahn wurde kräftig investiert. Restaurants und Unterkünfte gibt es alle paar Kilometer.
Das traurige ist nur, dass die vielen Strände, Sonnenschirme, Restaurants, Hotels und Pensionen kaum Gäste haben.

Albanien ist ein Bergland. Dies gilt auch für weite Küstenabschnitte. Für diese Bergetappen ist Wasser absolut wichtig. Zum Glück findet man Trinkwasser fast überall. Ab Orikum, gelegen am Meer auf fast Meereshöhe, schlängelt sich die Straße bis rauf auf über 1000 Höhenmeter. Wir glaubten zu wissen was auf uns zukommt. Ich rechnete für die gut 20 km bis zum Bergpasshöhepunkt einen vollen Tag ein.
Es war heiß, so um die 35 Grad. Zu Beginn war die Steigung noch verträglich, doch nach wenigen km kamen die ersten Kehren. Über 10% sind die Steigungswinkel. Da braucht man nach allen 50 Metern eine kurze Pause, schwitzt nur noch, holt tief Luft und hofft das es die letzte Kehre sein wird. Doch die letzte Kehre dauert noch Stunden. An diesem Tag haben wir den Pass nicht geschafft. Nach über 10 Stunden bergauf schlagen wir unser Lager auf.
Wenn man ein Lager an einer Wasserstelle oder gar Fluss findet, dann sind die Anstrengungen schnell vergessen. Bevor wir das Lager immer aufbauen, stapft Gi richtig laut durch die Lagergrenzen. Mit einem Stock schlägt sie dabei gegen Büsche, große Steine und Bäume. Sie will damit die Schlangen vertreiben. Seit Albanien sehen wir täglich welche (leider liegen sie meist überfahren auf der Straße). Ein Lagerfeuer sorgt dann für einen stärkenden Kaffee. Besonders an Flusslagern sind die Libellen immer hundertfach unsere Gesellen. Bricht die Nacht herein, dann beobachten wir die Glühwürmchen. Die Geräusche am Fluss, aus den Gebüschen und Bäumen lassen uns schnell einschlafen. Mit den ersten Strahlen der Sonne beginnt der nächste Wanderschiebetag.

Jeder Pass hört irgendwann auf. So natürlich auch der Pass Llogorase. Von links grüßt uns der 2078 Meter hohe Berg Oores. Rechts stürzt die Straße 1000 Meter in vielen Kehren runter ans Meer. So eine Wägelchenabfahrt hat es in sich, denn unsere Wägelchen haben keine Bremsen. Bergauf werden immer die Oberschenkel, Handgelenke und der Beckenbereich extrem belastet. Runter ziehen nach wenigen Metern die Waden wie ungeölte Stahlseile und die Schultern machen sich bemerkbar. Gi hat sich hierfür was geniales einfallen lassen. Man hat ja bei all der Wägelchenschieberei auch viel Zeit zum nachdenken.
Doch davon werde ich erst im Teil 2 von Albanien berichten.
Bis dahin liebe Grüße,
Wi und Gi
Stand 5. Juli 2014